Höher, weiter, schneller – das gilt auch für die Erntetechnik. Während vor nicht allzu langer Zeit Dutzende Erntehelfer den ganzen Tag im Einsatz waren, um ein Weizenfeld abzuernten, erledigt ein Mähdrescher diese Arbeit heute in nur wenigen Stunden. Für die Landwirtschaft ein Segen, wenn innerhalb kürzester Zeit die Ernte eingebracht werden kann, bevor das Wetter umschlägt. Doch für unsere Wildtiere ist es ein Schock, wenn sie plötzlich ohne Nahrung und Deckung dastehen. Hecken und wildtiergerechter Zwischenfruchtanbau würden hier Abhilfe schaffen.
Durch die Ernte ändert sich der Lebensraum für Hase, Reh und Fasan abrupt und drastisch. Innerhalb weniger Stunden stehen nur noch Stoppeln auf den Feldern, wo es vorher Äsung in Hülle und Fülle gab. Häufig werden auch die Stoppeläcker sofort nach der Ernte gegrubbert und somit die letzten Körner unter die Erde gebracht, die gerade den Rebhühnern und Fasanen helfen könnten, sich langsam an die neue Situation zu gewöhnen. „Schlagartig ihrer Nahrungsgrundlage beraubt, kommt es für Wildtiere zu einer Notsituation, dem so genannten Ernteschock. Der Tisch ist abgeräumt, obwohl es gerade jetzt wichtig wäre, sich für die kalte Jahreszeit möglichst viele Fettreserven anzufressen,“ so Dr. Ernst-Ulrich Wittmann, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägerverein Dachau (JJVD). Mit der Nahrung ist gleichzeitig auch die „Wohnung“ weg. Die Wildtiere haben nun auch keine Deckung mehr. Manche Tiere sind mit der Situation überfordert, sitzen wie apathisch auf dem Feld. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen für Fuchs, Marder und verschiedene Greifvogelarten.
Gerade das Rehwild hat im Spätsommer einen besonders hohen Nahrungsbedarf. Die anstrengende Paarungszeit ist zu Ende und nun ist Fettreserven anfressen angesagt. Auch für eine gute Entwicklung der Rehkitze, die bis in den September hinein gesäugt werden, ist gehaltvolle Nahrung wichtig. Sind die Felder leer, bleibt den Tieren nichts anderes übrig, als nach neuen Futterplätzen zu suchen. Dafür nehmen sie weite Wege in Kauf, die sie zwangsläufig über Straßen führen. „Autofahrer sollten besonders aufpassen und immer damit rechnen, dass ein Tier plötzlich auf die Fahrbahn läuft“ warnt Dr. Ernst-Ulrich Wittmann.
Jäger und Landwirte können mit der Anlage von Hecken und Feldgehölzen den Ernteschock mildern. Diese grünen Inseln sind das ganze Jahr hindurch Lebensraum für viele Insekten, Reptilien und Vögel. Hinzu kommt, dass die artenreichen Hecken während der Ernte Wildtieren Nahrung und Deckung bieten. Optimale Ergänzung ist ein zusätzlicher Kräuterstreifen. Auch die Jäger des Jagdschutz und Jägerverein Dachau sind hier aktiv und versuchen gemeinsam mit den Landwirten die Folgen des Ernteschocks für die Wildtiere abzumildern. Rettung bieten Felder, auf denen direkt nach der Ernte Zwischenfrüchte wie Lupinen, Ackersenf oder Klee oder speziell dafür entwickelte Saatmischungen eingesät werden, sie sind eine gute Möglichkeit für wildtiergerechten Zwischenfruchtanbau. Diese Pflanzen wachsen schnell, so dass die Felder in kurzer Zeit wieder grün sind. Sie bleiben so lange stehen, bis der Landwirt seinen Acker wieder braucht und sie unterpflügt. Auch durch das Einsäen von Stilllegungsflächen mit Pflanzenmischungen, die für Wildtiere geeignet sind, kann der Ernteschock gemildert werden.
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