Der aktuelle „Bayerische Waldbrief“ unterstreicht die Herausforderungen der Forstwirtschaft, insbesondere im Spannungsfeld zwischen Waldumbau, Jagd und Klimawandel. Während die Notwendigkeit eines vitalen und zukunftsfähigen Waldes unbestritten ist, darf der Ansatz „Wald vor Wild“ nicht zu einer einseitigen Sichtweise führen. Ein nachhaltiges Ökosystem erfordert vielmehr differenzierte und lokal angepasste Lösungen, die die natürliche Dynamik von Wald und Wild berücksichtigen.
DER BAYERISCHE WALDBRIEF 1/2025 (PDF)
Wald mit Wild – Differenzierte Lösungen statt pauschaler Maßnahmen
1. Verbissproblematik: Sachliche Analyse statt pauschaler Forderungen
Die im Waldbrief dargestellten Ergebnisse des Forstlichen Gutachtens zeigen weiterhin hohe Verbissbelastungen, insbesondere in den dauerhaft roten Hegegemeinschaften. Es wird gefordert, dort verpflichtende körperliche Nachweise und verstärkte Jagdkonzepte einzuführen. Doch diese Forderung ist zu eindimensional:
- Die Ursachen für fehlende Waldverjüngung sind multifaktoriell und beinhalten neben dem Wildverbiss auch Standortbedingungen, Witterungsextreme, Bodenverhältnisse und Schädlinge wie den Borkenkäfer.
- Eine selektive Reduktion von Wildbeständen ist sinnvoll, wenn sie auf validen wissenschaftlichen Daten beruht und die ökologische Funktion des Wildes im Wald berücksichtigt.
- Jagd als alleinige Maßnahme wird nicht ausreichen, um die Ziele eines stabilen Mischwaldes zu erreichen. Vielmehr braucht es waldbauliche Maßnahmen wie natürliche Verjüngung, Mischbaumartenförderung und Einzelschutz.
2. Jagdzeitenanpassung: Flexibilität ja, aber mit Augenmaß
Die vorgeschlagene Verlängerung der Jagdzeiten auf einen Rahmen vom 1. April bis 31. Januar ist problematisch. Zwar wird betont, dass Jäger eigenständig über Jagdruhe entscheiden können, doch eine solch lange Jagdzeit könnte negative Auswirkungen auf Wildbestände und deren Sozialgefüge haben.
- In der sensiblen Zeit des Setzens und Führens von Jungtieren (April–Juni) sollte aus Tierschutzgründen eine stärkere Zurückhaltung in der Bejagung bestehen.
- Eine pauschale Ausweitung der Jagdzeiten ohne Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten widerspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit und einer waidgerechten Jagd.
- In Gebieten mit bereits stabilen Verhältnissen sollten Anpassungen flexibel und lokal gesteuert werden, anstatt auf generelle Regelungen zu setzen.
3. Vertrauen und Kooperation statt Polarisierung
Es ist nachvollziehbar, dass sich Waldbesitzer gegen ideologisch geprägte Entscheidungen wehren, doch zugleich darf die Jagd nicht auf eine rein forstpolitische Maßnahme reduziert werden. Jagd ist gelebter Artenschutz, Wildbiologie und nachhaltige Nutzung zugleich.
- Der Waldbrief spricht sich für Vertrauen statt staatlicher Regulierung aus – dies muss aber auch für Jäger und Jagdpächter gelten. Pauschale Generalverdächtigungen gegen eine „zu geringe Abschussquote“ schaden dem Dialog.
- Erfolgreiche Wildbewirtschaftung gelingt am besten in Kooperation zwischen Waldbesitzern, Jägern und Behörden, nicht durch einseitige Vorgaben.
- Statt erhöhter Abschussvorgaben in „roten Gebieten“ sollte ein gezieltes Wildtiermanagement erfolgen, das regionale Besonderheiten, Wanderbewegungen und Populationsdynamiken berücksichtigt.
Fazit
Ein vitaler Wald ist essenziell – aber nicht gegen, sondern nur mit einem gesunden Wildbestand. Die Forderungen des Bayerischen Waldbesitzerverbandes enthalten sinnvolle Ansätze, jedoch fehlt oft die notwendige Differenzierung. Pauschale Abschusssteigerungen, verlängerte Jagdzeiten und regulatorische Eingriffe sind nicht die alleinige Lösung. Vielmehr braucht es eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern, Jägern und der Wissenschaft, um tragfähige, langfristige Konzepte zu entwickeln. Körperliche Nachweise als vertrauensbildende Maßnahme widersprächen hier auch der Darstellung der Jäger als gut ausgebildete Fachkräfte. Nur in der Annahme und dem Vertrauen, dass die Jägerschaft ihr Handwerk versteht, kann man auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Ausschließlich durch ein ausgewogenes Konzept von „Wald mit Wild“ kann eine nachhaltige und ökologisch sinnvolle Zukunft gesichert werden.